
Landeanflug des Rettungshubschraubers der DRF Luftrettung auf dem Sportplatz in Erfde. (Quelle: Freiwillige Feuerwehr Erfde)
Nachtflugübung in Schleswig-Holstein
Es ist Anfang Februar in Schleswig-Holstein, Dienstagabend in einem kleinen Ort namens Erfde. Die Sonne ist längst hinter dem Horizont abgetaucht. Eigentlich kehrt jetzt Ruhe ein, so wie es hier im ländlichen Bereich üblich ist. Nur: Heute ist es anders.
Das verrät ein Blick auf den örtlichen Fußballplatz. Kein Fußballturnier, dafür Blaulicht. Überall Einsatzkräfte und Fahrzeuge der Feuerwehr. Der Platz ist großflächig beleuchtet. Am dunklen Nachthimmel das Brummen eines Rotors – ein Hubschrauber. Sein Scheinwerfer ist auf die Erdoberfläche am Sportplatz gerichtet. Die blinkenden Lichter der Maschine kommen näher. Als sie ins Flutlicht eintauchen, zeigt sich eine rot-weiße Maschine der DRF Luftrettung. Im gezielten Sinkflug nähert sie sich der Rasenfläche und setzt zur Landung an. Was ist los im beschaulichen Erfde? Ist jemand in Not geraten und braucht dringend medizinische Hilfe aus der Luft?
Besonderheit in Rendsburg
Fragt man Dirk Kugel, lächelt er und antwortet: „Keine Sorge, in Erfde war diesmal niemand in Not.” Er ist Pilot an der Station von Christoph 42 der DRF Luftrettung im knapp 20 Kilometer entfernten Rendsburg. Erfde liegt im Einsatzradius der Station. Als erfahrener Hubschrauber-Pilot bringt Dirk Kugel eine besondere Zusatzqualifikation mit: Er darf Rettungshubschrauber auch bei Nacht fliegen. „In Rendsburg ist das wichtig, denn die Station ist rund um die Uhr in Einsatzbereitschaft”, erklärt er. Doch nicht nur das – Dirk Kugel ist auch Fluglehrer und bildet in dieser Funktion Piloten in Theorie und Praxis für das Fliegen bei Dunkelheit aus. Zwei neue Piloten der DRF Luftrettung durchlaufen dieses Programm derzeit. Haben sie etwa in Erfde trainiert?
Herausforderung im Dunkeln
Dirk Kugel bestätigt: „In Erfde haben wir keinen Notfalleinsatz gesehen, sondern eine Nachtflugübung für die beiden neuen Piloten. Sie haben verschiedene Lande-Szenarien unter Nutzung von Nachtsichtgeräten durchgeführt.” An den derzeit dreizehn 24-Stunden-Stationen der DRF Luftrettung fliegen bei Dunkelheit grundsätzlich zwei Piloten im Cockpit – und zwar mit Nachtsichtbrillen, den Night Vision Goggles (NVG). Das sind Restlichtverstärker, die für Piloten – einfach gesagt – das Unsichtbare sichtbar machen können. So können sie das Gelände trotz Dunkelheit besser einschätzen. Dennoch ist das Fliegen unter diesen Voraussetzungen herausfordernd und für die Flugschüler ein besonderer Schritt in ihrer Ausbildung. Dirk Kugel weiß das, denn er begleitet sie vorn im Cockpit bei ihren Flugübungen. So auch am besagten Abend in Erfde.
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Flug bei Dunkelheit: Blick in das Cockpit einer Maschine der DRF Luftrettung. Die Piloten nutzen spezielle, am Helm befestigte Nachtsichtbrillen (NVG). (Quelle: DRF Luftrettung)
Start in Schachtholm
Am Übungsabend startet das Piloten-Duo jeweils vom Flugplatz Rendsburg-Schachtholm, wo auch der Rettungshubschrauber Christoph 42 der DRF Luftrettung stationiert ist. Genutzt wird eine Ersatzmaschine, damit die Einsatzbereitschaft des originären Rettungsmittels nicht eingeschränkt ist. Nach ein bis zwei Landungen und Schwebeflugübungen auf der beleuchteten Landebahn des Flugplatzes geht es in Richtung Sportplatz in Erfde. Dort steht die sichere Landung des Hubschraubers unter den nächtlichen Bedingungen im Fokus. Der Feuerwehr kommt dabei eine besondere Aufgabe zu.
Volles Trainings-Programm
Bei Ankunft am Zielort erkunden die Piloten zunächst das Gelände aus zirka 200 Metern Höhe. Eine sogenannte „Hocherkundung“. Die Wetterlage ist herausfordernd – tiefliegende Wolken verringern die Sichtweite. Von oben ist der großflächig ausgeleuchtete Sportplatz zu sehen: Flutlicht, beleuchtete Feuerwehrfahrzeuge und Blaulicht. Die Landefläche auf dem Fußballplatz ist für die Piloten erkennbar. Sie gehen in den koordinierten Sinkflug über und stehen kurze Zeit später auf dem Mittelfeld. Doch dann geht es zurück in die Luft. Eine erneute Hocherkundung. Die Beleuchtung wird nun reduziert. Die Flutlichter sind gelöscht. Licht kommt nur noch von der Feuerwehr selbst. Die Landung wird etwas herausfordernder. Doch auch das meistern die Piloten. Und dann: Nochmal abheben. Nochmal Hocherkundung. Jetzt ist nur noch Blaulicht zu sehen. Keine weitere Beleuchtung. Jetzt ist die Aufgabe, die Einsatzstelle wiederzufinden. Im ersten Anflug sind sowohl Zielannäherung als auch Sinkflug noch nicht im optimalen Einklang. Im zweiten Anflug passt es dann und die Piloten landen die Maschine erneut sicher auf dem Rasen. Während der Durchgänge werden zum Teil die Nachtsichtgeräte abgeschaltet, um einen Ausfall der Geräte zu simulieren. Beide Flugschüler führen die Durchläufe aus und können dabei die Unterschiede zwischen schwächerer und stärkerer Beleuchtung – die die Landung erheblich erleichtert – erkennen. Interessierte Passanten kommen vorbei und fragen nach. Warum so viel Feuerwehr? Und warum das wechselnde Licht?

Die Feuerwehr leuchtet mit eigenen Mitteln den Landeplatz für den Hubschrauber aus. (Quelle: Freiwillige Feuerwehr Erfde)

Einfacher Trick: Durch das Platzieren einer Taschenlampe im Inneren eines Kanisters, verwandelt sich dieser in eine größere Lichtquelle. (Quelle: FFW Erfde)
Feuerwehr als wichtiger Partner
Dirk Kugel erklärt: „Bei Nachtlandungen kann die örtliche Feuerwehr uns ungemein mit der Ausleuchtung unterstützen. Zwar ist das nicht zwingend notwendig, da die Hubschrauber über Hochleistungsscheinwerfer verfügen und eine Landung damit ohne weitere Hilfe möglich wäre. Dennoch wird die Unterstützung durch Feuerwehren von unseren Piloten sehr gern angenommen. Denn die Ausleuchtung ermöglicht uns, Zeit zu sparen, die den Patienten zugutekommt: wertvolle Sekunden und Minuten, die Leben retten können.“ Denn ein geeigneter Landeplatz muss aus der Luft erst identifiziert werden – was bei nächtlichen Bedingungen mehr Zeit beanspruchen kann. Feuerwehren kennen die Gegebenheiten vor Ort oft am besten und wissen, welche Plätze geeignet sind. Sie können die Hubschrauber-Crew gezielt dorthin führen. Zudem können die lokalen Einsatzkräfte einschätzen, ob ein Landeplatz zum Beispiel durchnässt ist und den Hubschrauber ohne weiteres trägt.“ Ein weiterer wichtiger Punkt: Wenn Feuerwehren den Landeplatz ausleuchten, können sie die Fläche vor der Landung begehen und auf Risiken hin prüfen – zum Beispiel lose Gegenstände. Für das Ausleuchten gibt es jedoch unterschiedliche Szenarien – zum Beispiel Sportplätze mit Flutlichtern oder Ackerflächen außerhalb. „Es gibt also potenzielle Landeplätze, an denen es richtig dunkel ist“, sagt Dirk Kugel. „Diese unterschiedlichen Situationen haben wir hier mit der Feuerwehr simuliert.“
Dank an alle Beteiligten – nicht nur in Erfde
Die Übung in Erfde war Teil einer für mehrere Tage geplanten Übungsreihe. Am Folgetag wurde die gleiche Übung im benachbarten Schalkholz – mit der dort ansässigen Freiwilligen Feuerwehr – durchgeführt. Die Ausbildungsflüge an den Sportplätzen dauerten zirka 30 Minuten. Die ursprünglich erste Übung am Montagabend im Ort Pahlen musste aufgrund von Nebel abgesagt werden. Die Freiwillige Feuerwehr Pahlen übernahm dennoch federführend die Organisation der gesamten Übungstage und war in die Ausleuchtung in Schalkholz eingebunden. „Einen großen Dank möchte ich deswegen an dieser Stelle den Freiwilligen Feuerwehren Pahlen, Erfde und Schalkholz aussprechen. Die Organisation war hervorragend und die Zusammenarbeit bei den jeweiligen Übungen hat super funktioniert. Wir sind sicher, dass wir uns im Einsatz aufeinander verlassen und den Patienten somit die bestmögliche Hilfe bieten können“, so Dirk Kugel. Und siehe da: Fünf Tage später landetet die Crew des Christoph 42 bei einem Nachteinsatz direkt hier in Erfde auf dem Sportplatz.
Win-Win-Win-Situation
Von der Übung profitierten alle Beteiligten. Zunächst die Flugschüler. „Sie konnten sehen, was eine effektive Ausleuchtung bringt, insbesondere auch, wenn die Nachtsichtgeräte oder Beleuchtung einmal im Anflug ausfallen sollten”, so Dirk Kugel. „Ferner konnte geübt werden, wie eine Hocherkundung durchgeführt wird und wie Anflüge sicher und optimal ablaufen.” Im Anschluss an die Übung trainierten die Piloten am Flugplatz Rendsburg-Schachtholm noch weitere Szenarien, unter anderem Notverfahren. „Die Schüler haben unheimlich viel mitgenommen, die Wetterbedingungen waren teils fordernd und die Unterstützung der Feuerwehren war herausragend”, so Dirk Kugel. Die Einsatzkräfte der Feuerwehr hatten ebenso die Möglichkeit, ihr Wissen zu Methoden der Ausleuchtung und Absicherung von Landeplätzen bei Nacht aufzufrischen. Das Besondere: In Erfde war die Jugendfeuerwehr in Teilen federführend an der Umsetzung beteiligt. So sammeln auch Einsatzkräfte von Morgen erste wichtige Erfahrungen für die Kooperation mit der Luftrettung, die sie in den kommenden Jahren im Einsatz anwenden können. Trainings wie diese tragen im Ernstfall dazu bei, dass alle Rädchen perfekt ineinandergreifen: damit Menschen in medizinischen Notlagen in kürzester Zeit nach höchsten Qualitätsstandards versorgt werden können.
Über die Station Rendsburg
Die am 20. Februar 1975 gegründete Station befindet sich am Flugplatz Rendsburg-Schachtholm.
Einsätze bei Dunkelheit
Mit aktuell 13 Hubschrauber-Stationen betreibt die DRF Luftrettung die meisten 24-h-Stationen in Deutschland.
Über die DRF Luftrettung
Die Luftrettung mit Sitz in Filderstadt ist eine der größten Luftrettungsorganisationen Europas.
Luftrettungsstationen digital erkunden
In der Welt der Luftretter warten 3D-Modelle der Stationen und Fluggeräte, 360°-Aufnahmen und vieles mehr.